Warum eine neue Orgel?
... und nicht eine Reparatur?
Das werden wir immer wieder gefragt.
Als die Mängel der Orgel deutlich wurden, dachte das Presbyterium der Lutherkirchen-Gemeinde lange Zeit an eine Reparatur bzw. Sanierung der Peter-Orgel. Die Kosten für eine Sanierung wurden vom Orgelsachverständigen der Rheinischen Landeskirche und Orgelbauern auf ca. 500.000 bis 600.000€ geschätzt. Obwohl die Orgel durch eine Sanierung technisch natürlich wieder „fit“ gemacht werden könnte, bliebe es jedoch ein in klanglicher Hinsicht „Flickwerk“. Eine dringend notwendige grundlegende Umdisponierung wäre nicht machbar.
Der Zeitwert unserer Orgel beläuft sich nach Schätzung des Orgel-Sachverständigen auf ca. 50.000€!
Daher wurde als mögliche sinnvolle Alternative ein Orgelneubau diskutiert (Kostenschätzung: ca. 900.000 bis 1.000.000€). Nach einem über zweijährigen Prozess entschied sich das Presbyterium schließlich für einen Neubau und das Angebot der Firma Woehl.
Nur ein Neubau löst die technischen und klanglichen Probleme gleichzeitig!
Ein Orgelneubau hat folgende Vorteile:
- Eine neue Orgel kann ideal an die akustischen Gegebenheiten des Kirchenraumes angepasst werden.
- Eine neue Orgel wäre klanglich aus einem Guss und homogen.
- Eine neue Disposition (Klangfarben-/Registerzusammenstellung) schafft ein breiteres und ausgewogeneres Klangspektrum, vermag somit den Gemeindegesang besser zu (unter)stützen, kann dem gesprochenen geistlichen Wort auf nonverbaler Ebene zusätzliche „Tiefe“ geben, erweitert die Bandbreite des Literaturspiels in Gottesdienst und Konzert enorm und bietet mehr Raum für Improvisation.
- Eine neue Orgel, mit qualitativ hochwertigen Materialien gebaut, ist ein zukunftsfähiges Instrument, das dann in erheblich besserer Qualität über mehrere Generationen hinweg zur Verfügung steht.
- In einer Zeit, in der Musik jederzeit medial verfügbar ist, kann nur ein gut disponiertes und auf den Raum abgestimmtes Instrument die Hörer überzeugen und das Live-Musik-Erlebnis attraktiver machen.
- Mit einer neuen Orgel hätte die Lutherkirche ein Instrument, das neben seinem gewinnbringenden Einsatz im Gottesdienst auch als Konzertinstrument eine erhebliche kulturelle Bereicherung für Poppelsdorf, Bonn und die gesamte Region wäre.
- Nicht zuletzt: Die Zeit der eingeschränkten Nutzbarkeit der Lutherkirche während der Baumaßnahmen wäre bei einem Neubau nur halb so lang wie bei einer Sanierung. Und die Risiken aufwändiger Sanierungmassnahmen können vermieden werden.
Muss es denn überhaupt eine Orgel sein?
Reicht nicht ein E-Piano? oder eine elektronische Orgel? Auch diese Frage wurde immer wieder gestellt.
Das Presbyterium hat diese Frage eingehend geprüft. Es hat sich in diesem Zusammenhang intensiv auch mit der grundsätzlichen Bedeutung der Kirchenmusik für und in der Lutherkirche beschäftigt. Viele Aspekte wurden dabei bedacht:
Was ist eigentlich Kirchenmusik?
Ist Musik in der Kirche bereits Kirchenmusik?
Was berührt jeden einzelnen besonders?
Welche Rolle spielen die Texte?
Welche Bedeutung hat die Kirchenmusik für unsere Gemeinde?
Eine der wichtigsten Antworten auf diese Frage war das evangelisch formulierte Ziel der Kirchenmusik „Soli Deo Gloria“ (Gott allein die Ehre). Musik ist Unterstützung und Fortsetzung der Verkündigung, ja Musik ist Verkündigung selbst.
Sie ist aber auch Seelsorge durch die Inhalte von Liedern und durch ihre Harmonien. Musik ist wesentlicher Teil des Gemeindeaufbaus. Von Kindergarten bis hin zu Senioren wirken Menschen in den Chören mit und wirken nach innen und außen. Sie baut Gemeinde nach innen und nach außen auf. Vor allem aber macht die Musik in und um unsere Kirche vielen Menschen Freude – als Musizierende und als Hörende.
Als Zentrum aller musikalischen Aktivitäten in unserer Gemeinde steht die Orgel und verbindet alle Aktivitäten und Gruppen. Dementsprechend steht sie auch gut sichtbar in Form eines Engels im Chorraum.
Somit war für das Presbyterium schnell klar: Ein Verzicht auf eine Orgel kommt nicht in Frage.
Zur Bedeutung der Orgel und der Orgelmusik
Im Jahr 2017 hat die UNESCO den „Orgelbau“ und die „Orgelmusik“ in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.
Die Orgelmusik zählt zusammen mit dem Gemeinde- und Chorgesang seit jeher zu den maßgeblichen Säulen der protestantischen Kirchenmusik. Für Martin Luther gehörte die Musik zur höchsten Kunstform und sie nahm für ihn den zweiten Platz direkt hinter der Theologie ein. Musik im Gottesdienst – ob vokal oder instrumental – ist Verkündigung. Daher besitzen nicht nur die Orgelbegleitungen für die Gemeindelieder oder die liturgischen Gesänge, sondern auch die freie Musik (z.B. Vor- oder Nachspiele) einen hohen inhaltlichen Stellenwert. Gleichzeitig stehen ältere oder zeitgenössische Orgelmusik für die Bewahrung und Weiterentwicklung einer reichhaltigen Tradition, sowohl in ihrer Verkündigungsfunktion im Kontext der Liturgie als auch als eigenständige Kunst. Religion und Kunst stehen in der protestantischen Musik in engster Beziehung.
Erste Vorläufer der Orgel sind schon um das 2. Jahrhundert vor Christus belegt. Bis zum 9. Jahrhundert war die Orgel ein rein weltliches Instrument. Seit dem Mittelalter wurden allmählich auch Kirchen mit Orgeln bestückt. Die ältesten überlieferten Kompositionen für Orgel finden sich um 1350! Die Orgel setzt sich immer mehr als das ideale „geistliche“ Instrument durch. Aber erst Martin Luthers Wirken und Musikauffassung gaben der Entwicklung der Orgelmusik letztendlich den entscheidenden Schub. Im 19. Jahrhundert wird die Orgel schließlich zusätzlich als weltliches Instrument für den Konzertsaal „wiederentdeckt“.
Die Orgel wird noch heute als „Königin der Instrumente“ bezeichnet: Kein anderes Instrument ist in der Lage, alle Töne von der unteren bis zur oberen menschlichen Hörgrenze erzeugen zu können. Eine gut intonierte und disponierte Orgel gleicht mit ihren vielen Klangfarben einem Orchester mit seinen verschiedenen Instrumenten und bietet Millionen von Klangfarbenzusammenstellungen (wenn die Qualität der Register es zulässt). Auch wenn es nicht auf den ersten Blick so aussieht: Die Orgel ist, obwohl es sie schon über 2000 Jahre gibt, immer noch ein innovatives Instrument. Sie wird bis heute unentwegt weiterentwickelt und kann Organistinnen und Organisten und Komponistinnen und Komponisten beständig neue Ideen liefern.
Nicht zuletzt benötigt die Orgel Wind, um zu klingen, man könnte auch sagen: Die Orgel hat einen „Atem“. Eine gut intonierte und disponierte Orgel vermag es mit ihrem „Atem“, dem Menschen ganz nahe zu kommen: sie kann berühren, trösten, begeistern, tanzen, meditieren, lärmen, beruhigen…
Dass die Orgel als Instrument, an dem es schier unendlich viel zu entdecken und auszuprobieren gibt, schon Kinder fasziniert und begeistert, können wir in der Lutherkirche regelmäßig feststellen, sei es bei Führungen oder „am Rande“ eines Gottesdienstes.